Angedacht Mai
„Aenne und ihre Brüder“
Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes 1945
„Kurz vor ihrem Tod hat meine Mutter mir einen Schuhkarton voller Briefe vermacht. Es sind die Feldpostbriefe ihrer Brüder, die meine Onkel ihrer kleinen Schwester von den verschiedenen Fronten des zweiten Weltkriegs geschrieben haben. Meine Mutter hat sie fein säuberlich aufbewahrt – genauso wie die Erinnerung an ihre gefallenen Brüder“.
Über die Geschichte seiner Mutter und ihrer vier Brüder hat der deutsche Journalist und Musiker Reinhold Beckmann ein berührendes Buch geschrieben: „Aenne und ihre Brüder“. Er beschreibt darin anhand seiner Familiengeschichte das Leben im zweiten Weltkrieg, dadurch wird es greifbarer und nachvollziehbarer. Wir lesen die hin- und hergehenden Briefe und erfahren etwas über die Ängste, Sehnsüchte und Wünsche von Menschen: sich lebend wiederzusehen. Die Frau, in die man sich verliebt hat, zu treffen. Das eigene neugeborene Kind in die Arme zu nehmen. Zu feiern und ein ganz normales Leben zu führen. Keiner der vier Brüder kehrte aus dem Krieg zurück. Und wir erfahren etwas darüber, was der Krieg für das normale Leben eines kleinen Dorfes bei Osnabrück bedeutete.
Das Lied „Vier Brüder“ hörte ich das erste Mal auf einem Konzert von Reinhold Beckmann. Die Fotos seiner Mutter und ihrer Brüder waren auf einer Leinwand zu sehen. Ich kannte damals die Geschichte seiner Mutter und ihrer Brüder nicht, das Buch erschien erst später. An diesem Sommerabend im Jahr 2022 wurde mir 77 Jahre nach Kriegsende beim Hören des Liedes erneut die Absurdität eines Krieges deutlich: vier Brüder starben in einem Krieg, weil sie damals zufällig lebten. Jahre später wollte die Gemeinschaft der Völker „Nie wieder“ Krieg führen. Seitdem gab es aber unzählige Kriege, die angeblich keiner gewollt hatte und deren Ursache Jahre später nur wenige erklären konnten. In diesen Kriegen starben aber viele Brüder, Schwestern, Mütter und Väter.
Wenn Krieg keine Antwort ist, brauchen wir neue Fragen. Um Verhaltensweisen zu finden, die die Absurdität von Kriegen verhindern.
Ulrich Krause-Röhrs, Pastor